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Schwarzes Meer - zwischen Bosporus und Kaukasus

Eine Reise rund um das Schwarze Meer. Das sind zehn Länder (vier visapflichtig), zeitraubende Grenzen und unzählige Polizeichecks. Ein Paar aus München erkundete die Routen:

Es ist dunkel, als wir im ungaro-slowako-ukrainischen Länderdreieck die Grenzstation Tschop erreichen. Die Abfertigung dauert nur einige Minuten. "Gute Erholung" wünschen uns die Zöllner. Schon wenige Kilometer hinter dem Schlagbaum nimmt uns die erste Straßenkontrolle ins Visier. "Haben Sie ein Warndreieck, einen Verbandskasten, einen Feuerlöscher? Ich bejahe alles. "Sollen wir kontrollieren?", fragt mich der Uniformierte? "Bitte sehr!", bluffe ich weiter. Offenbar überhört der Mi-liz-Mann das Zittern meiner Stimme und lässt uns passieren. Noch drei weitere Kontrollen dieser Art folgen - innerhalb von 40 Kilometern. Dann erreichen wir unser Nachtquartier Mukacevo. Die Nähe zum Westen macht sich in der habsburgerisch anmutenden Fußgängerzone und dem üppigen Marktangebot dieser geschäftigen Stadt in den Karpaten bemerkbar. Sympathisch sind die Preise. Ein Liter Benzin kostet 50 Cents, ein Damenhaarschnitt etwa das Doppelte.

Odessa vereint Erholung mit Industrie

Wohl das bekannteste Bauwerk Odessas ist die 192 Stufen zählende Freitreppe zum Passagierhafen.
Hier schlug die zaristische Armee 1905 brutal den ersten Aufstand der Kommunisten nieder. Zwölf Jahre später waren die Kommunisten an der Macht. Filmregisseur Sergej Eisenstein erweckte diesen Abschnitt russischer Geschichte in "Panzerkreuzer Potemkin" (1925) zu neuem Leben.
Das ukrainische Odessa ist nach wie vor eher russische Enklave. Zweisprachige Straßenschilder tragen diesem Umstand Rechnung. Die 1,1 Millionen-Metropole wurde nach dem hier vermuteten, später aber in Bulgarien lokalisierten, griechischen Odessos benannt. Sie vereint schwere Industrie, attraktives Strandleben und Kultur (Empfehlung: Liliputanerzirkus). Weil Istanbul von hier aus direkt auf der anderen Seite des Meeres liegt, floriert der Schwarzmarkt mit Textilien und Lebensmitteln. Handelsgott Merkur und Glücksgöttin Fortuna als Fassadenelemente der ehemaligen Börse und des heutigen Rathauses lassen ahnen, was diese Stadt von der Gleichmacherei der Sowjets hielt. Einen makabren Beweis für die odessitische Geschäftstüchtigkeit liefert uns eine Art Stadtpolizei. Die Räuber in Uniform verlangen eine "Zollgrenzbezirkssteuer" in Höhe von 35.- Euro. Nach zähem Handeln bekomme ich einen Erlass von 15.- Euro.
Eine Fußgängerzone mit Cafés und Restaurants vermittelt mediterranes Flair im Zentrum. Aus den Discos und Open-Air-Bars in den etwas außerhalb gelegenen Urlaubs-Ortsteilen erklingt zu Odessa-Schampus bis zum Morgengrauen Musik.
Eine Attraktion ganz anderer Art sind die Katakomben beim Dorf Nerubayske, zwölf Kilometer nordwestlich. Sie entstanden bei der Gewinnung von Sandstein als Baumaterial im 19. Jahrhundert und boten im zweiten Weltkrieg den Partisanen Verstecke. Wolldecken und schwach leuchtende Petroleumlampen waren die einzige Habe der Widerstandskämpfer. Nicht selten brachte ihnen ihr Unterschlupf den Tod: die feuchte Luft verursachte Tuberkulose und Lungenentzündungen.

Urlaubsflair nach Sowjetart

Brackige, sehr breite Flussmündungen sind ein Kennzeichen des Umlandes von Odessa. Dem Schlamm dieser so genannten Limane werden Heilkräfte zugeschrieben, weshalb sich Sanatorien ansiedelten. Darin zu übernachten, ist eine besondere Erfahrung. Ein Kulturhaus, auch typisch für russische Provinzstädtchen, ist das gemeinsame Kennzeichen der meisten Sanatorien. Darin dröhnt zu Wodka und Snacks Musik aus einer Box. Davor drücken sich Kurgäste mit ihren Kurschatten beim Vorspiel zur Kursünde herum. Unser Hoteltrakt, so stellt es sich heraus, ist das Sammelbecken sich so findender Paare. Es wird gefeiert und geliebt - und wir sind froh, unsere Ohropax dabei zu haben.

Der touristische Magnet der Ukraine aber bleibt die Halbinsel Krim. Von den 2,7 Millionen Einwohnern stellen heute nur 25 Prozent Ukrainer und 63 Prozent Russen. Die Russen wünschen sich deshalb mehr Autonomie, Russisch als Hauptsprache, die Moskauer Zeitrechnung und wirtschaftliche Unabhängigkeit von Kiew.
Jagen und Fischen sind in Russland und in der Ukraine gleichermaßen beliebte Hobbys. Wegen der leicht zu verfolgenden Spuren im Schnee ist die Jagd eher ein Wintersport. Im Sommer zieht man dagegen an das nächstgelegene Gewässer. Das bringt mit sich, dass viele angebotene Fische nicht etwa aus kühlen Bergseen, sondern aus der Hafenkloake stammen. Angler mit kleinen Rauten versuchen ihr Glück direkt von Bord der Fähre am Durchfluss von Kertsch zwischen der Ukraine und Russland.
Nach vierstündigem Warten auf das Schiff (es fährt nur alle drei Stunden und kann oft nicht alle mitnehmen), verlangen die Zöllner eine "Abfertigungsgebühr" von uns. Wir machen auf "nix verstehen". Einer spricht Englisch und kommt nun auf eine Kfz- und eine Öko-Steuer zu sprechen, die eigentlich bei der Einreise fällig gewesen wären. "Selbst wenn", sage ich, "jetzt wollen wir ja raus!". Diese Logik hilft nicht. Wir müssen zahlen

Soci: Mekka der Unterwelt

Soci gilt als Antwort Russlands auf Amerikas Miami. Während der Sowjet-Ära flanierten Arbeiter neben Parteifunktionären unter den Zypressen- und Palmen der Promenaden. Jetzt beherrschen die Neuen Reichen mit ihren Mercedes-Limousinen das Bild. Die Kiesstrände sind vor allem im benachbarten Dagomys sauberer als in Soci. Hier fliest ein kleiner Fluss ins Meer, den unmittelbar vor seiner Mündung eine Eisenbahnbrücke überspannt. In der Dämmerung, erinnert diese Szenerie an die "Brücke vom River Quai". Neben dem angeblich von der Mafia kontrollierte Dagomys Resort (DZ ab 40.- EURO) wohnen die meisten Sonnenhungrigen des Städtchens Dagomys in einfachen Pensionen. Am Strand vereinen typische Disco-Restaurants üppiges Essen mit ausgelassenem Tanzen.
Bergwanderungen im Kaukasus sind selbst in der Nähe der stark frequentierten Sesselbahn auf der "Krasnaya Polyana" (= Schöne/Rote Hochebene) - zum Beispiel auf die "Tschjörnaya Pyramida" (= Schwarze Pyramide, ca. 2.400 m) praktisch immer ein einsames Naturerlebnis. Wegmarkierungen bestehen aus rotweißen Absperrbändern in den Bäumen. Landkarten sind Mangelware. Andrej, Wirt der Basisstation, und Gewinner einiger Bergmarathons der Region hilft jedoch beim Anfertigen einer Skizze. Auf Reiter, Wildwasserfahrer und Mountainbiker wartet auf der "Krasnaya Polyana" das entsprechende Equipment. Der letzte Schrei ist Heli-Skiing im Winter am Mt. Fisht oder Mt. Chugsh (3.256 m). Und jetzt kommt auch noch die Winterolympiade genau hierher.

Georgien: Reiches Land mit Schwierigkeiten

Seit dem Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 lassen die Russen wieder einmal keine Ausländer nach Abchasien, Georgiens Abtrünnigen-Enklave. Die tschetschenische Geiseltragödie von Moskau Ende Oktober 2002 verschärfte noch die Situation. Für horrende 400.- US$ für eine Strecke von nur 150 Kilometer müssen wir samt Auto eine Passagierfähre buchen. Der Kapitän will noch Geld für die Autoverladung. Ich murre und verweise auf den alkoholisierten Zustand seiner Crew. Das hilft. In dieser Nacht fragt keiner mehr nach Geld. Umso geballter dann die Forderungen im Hafen von Poti/Georgien. Zur Ausladegebühr von 30.- US$ gesellt sich noch eine ebenso hohe Einreisegebühr. Ich verweise auf unsere Visa. Doch die gelten angeblich nicht für das Fahrzeug. Man schlägt uns zynisch vor, unser Auto erneut zu verladen, um in Batumi, dem Zielort der Fähre "vielleicht" keine Gebühren zahlen zu müssen. Doch die Verladung koste natürlich abermals 30.- US$. Jetzt reist mir die Geduld. Lautstark wettere ich gegen Korruption und Betrug. Einige Umstehende lachen; den Meisten ist es peinlich. So auch dem Hafenmeister, der schließlich, wie er sich ausdrückt, "unsere Einreisegebühr aus seiner Tasche für uns übernimmt". Die 70 Kilometer Küste zwischen Poti und Batumi entlang von Kies- und Sandstränden sind kaum befahren. Ein paar Badeorte, die bessere Tage gesehen haben, laden zum Bleiben ein. Ganz anders die Uniformierten entlang der Straße. Etwa alle 15 Kilometer fordern sie von uns Geld; zum Beispiel für das vergessene Blinkersetzen beim Anhalten. Ein paar Altkleidergeschenke ersparen uns Bargeldverluste. Auch hilft es, zu behaupten, ein deutscher Polizeikollege zu sein. "Den Ausweis habe ich nur deshalb nicht bei mir, um Straßenräuber nicht zur provozieren", behaupte ich. Die ganze Polizei-Brigade lacht - ahnt wohl, das sie selbst damit gemeint ist - und lässt uns durch. Ein kleiner Pass vor dem größten Bade- und Hafenort Georgiens, Batumi, spiegelt en miniature das Aussehen des größten Teiles dieses Landes. Fast bis zu den Gipfeln gerodete Berge mit Tee an ihren Hängen sprechen für seine Fruchtbarkeit. Riesige quadratische Häuser erinnern an südamerikanische Haziendas, nur dass sie mit Wellblech gedeckt sind.

Nord-Türkei: Einsame Buchten und Berge

Von Nordosten in die Türkei kommend erreicht der Reisende als erstes die Teestadt Rize. Obligatorisch für türkische Städte ist neben der Zentralen Moschee auch ein Standbild Atatürks. Eine der Villas des Reformpolitikers befindet sich in einem sieben Kilometer landeinwärts gelegenen Forst der Provinzhauptstadt Trabzon. Badezimmer, Schreibtisch und Teegeschirr aus den 20er Jahren vermitteln den Eindruck, als hätte der Staatsmann soeben erst den Raum verlassen. Tatsächlich war Atatürk nur wenige Male am Ostzipfel seiner Republik. Als er dabei einmal erwähnte, dass ihm die Villa gefiele, wurde sie kurze Zeit später zu seinem Eigentum erklärt. Auf diese Weise entstanden zahlreiche Gedenkstätten im Land. Trabzon wird von einer Schlucht in zwei Hälften geteilt. Architektonisch ist die Stadt wegen der aus dem 13. Jahrhundert stammenden Basilika Hagia Sophia bekannt.
Ziemlich genau in der Mitte zwischen Ordu und Ünye befindet sich der kaum auf einer Karte verzeichnetet und deshalb urigste Sandstrand der gesamten Schwarzmeer-Südküste, Çaytepe Çaka. Ein einziges Strandcafé ist hier die gesamte Infrastruktur.
Schnorchler entdecken am felsigen Ausgang des langen Sandstrandes von Üniye ganze Kolonien von Seeschnecken. Genau an dieser Stelle befindet sich das phantastisch gelegene, etwas ältere Çamlic Motel (DZ: 9.- EURO).
Kleine Unterwasserhöhlen direkt am Hotelstrand sind das Highlight. Mutige Taucher können hier in Unterwasserhöhlen hinabgleiten und einen Hauch Tiefenrausch verspüren. Als ich beim Schwimmen im rotglühenden Abendrot plötzlich eine Delfin-Familie beim Wassertanz ausmache, steigt unweigerlich mein Puls. Später erfahre ich, dass diese Tiere an diesem Landstrich fast täglich zu sichten sind. Eine Erfahrung besonderer Art bleibt es allemal.


INFORMATIONEN:
Das individuelle Bereisen der nördlichen Schwarzmeer-Region ist verglichen mit den Jahren unmittelbar nach der Perestroika wieder etwas komplizierter geworden: So müssen einen Monat vor Reiseantritt Touristenvisa für die Ukraine (€ 35.-), Russland (€ 40.-) und Georgien (€ 40.-) organisiert werden.
Zu den malerischsten türkischen Strandorte mit Sandbuchten gehören - von Ost nach West: Ünye, Amasra, Yakakent, Sinop, Sile.

Robert Mohr

   
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