Startseite Impressum Kontakt Häufige Fragen  
 

Neues

Wer ist ...?

Vita

Zeugnisse

Taten

Arbeitsproben

Reportagen

Bücher

Bilder

Reportagen-Liste

Links


In den Nebelpinien von Tamataba

Einsam im Nebel zu wandern...

Das Naturschutzgebiet "Parque Natural de Tamataba". gilt als einer der wenigen Urwälder der Kanaren. Das verdankt er seiner Lage an der schwer zugänglichen und touristisch kaum erschlossenen Steilküste im Nordwesten der Insel. Auch heute noch gilt der Landstrich als das vergessene Gran Canaria. Ein Landstrich, in den sich nur selten Touristen verirren.

"Camino Real de Tamataba" - Der Pfad mit dem verheißungsvollen Namen "Königlicher Weg von Tamataba" ist eigentlich ein alter Eselsweg. Heute nutzen ihn die Einwohner von San Pedro, seinem Ausgangsort, längst nicht mehr. Denn die Ebene von Tamataba, wohin er führt, gehört zum gleichnamigen "Parque Natural de Tamataba". Gleich hinter San Pedro im Barranco de Agaete, oft auch einfach als El Valle (Das Tal) bezeichnet, windet sich der Camino entlang von Feigen- und Mandelbaumhainen. Von solchen Terrassen kommt also das schmackhaften Honig-Mandel-Dessert "Mazapan". Die Terrassenwirtschaft war einst typisch für die gebirgige Rundinsel (ca 47 x 55 Kilometer). Allerdings seit der Tourismus besser bezahlte und leichtere Arbeit bietet, liegen viele Hänge brach. Intensive Gewächshäuser beherrschen heute die Agrarwirtschaft über den Barrancos, die ihrerseits gern zur Entsorgung alter Fahrzeuge genutzt werden. Abgesehen davon wird für den Wanderer im Agaete-Tal schon bald ein weiterer landwirtschaftlicher Faktor sichtbar - die intensive Bewässerungswirtschaft: Wasserauffangbecken, die Vorgänger von Stauseen, sammeln über Kanäle das Nass der Berge. So kann die Feuchtigkeit der Höhen bei Bedarf über Leitungen zu den Feldern der Täler und Küstenebenen geleitet werden. Dafür ist das ganze Land von Kanälen durchzogen, die je nach Alter in Stein gehauen, gemauert oder betoniert sind. Das gilt auch für Teile des Naturparks. Praktisch kein Wasser der Insel erreicht heute das Meer über natürliche Abflüsse und der Grundwasserspiegel sinkt bedrohlich.
Noch weit über das Dorf begleitet das Gebell aufgeregter Hunde, vermischt mit dem Krähen verspäteter Hähne, den Wanderer. Allenfalls das Geschrei verirrter Seemöven lässt die Nähe zum Atlantik erahnen. Auch die Farben der Vegetation erwecken die Sinne. Entlang der Serpentinen kämpfen wilde Feigenkakteen mit silbergrauen Agaven um die Vorherrschaft im Vulkangestein. Sie sind leicht zu verwechseln mit dem hier ebenfalls gedeihenden Alohe-Vera-Kaktus. Doch der ist kleiner und weist keinen Silberteint auf. Mit zunehmender Höhe wird auch das Grün intensiver. Stechend heben sich gelbe Rosmarin-Blüten gegen das Weiß der überall wuchernden Kamille ab. Hält man endlich zur Rast auf der Meseta, der eigentlichen Hochebene, inne, ändern sich schlagartig Licht und die Luftverhältnisse.

Märchenwald aus zweiter Hand

Von unten wirkt der Rand der Hochebene wie ein australischer Eukalyptusforst. Wegen ihrer Genügsamkeit und Schnelle beim Wachsen dominierte diese Pflanze weltweit die Wiederaufforstungsprogramme. Heute konkurriert sie mit heimischen Pflanzen, denen sie Bodenmineralien und Wasser streitig macht. Doch bereits nach wenigen Metern offenbart der Naturpark seine wahre Identität im Urwald des "Pinar de Tamataba". Leicht, fast federnd wandert der Besucher auch ohne Weg auf dem weichen Boden zwischen den mächtige Kanaren-Pinien. Der Wald ist praktisch ohne Unterholz. Denn die mehrere Zentimeter dicke Nadelstreu der Pinien wirkt auf die meisten anderen Pflanzen toxisch. Auf die meisten - aber nicht auf alle. Die Pinien bieten nämlich Siedlungsraum für Flechten. Wie grüne Haare von märchenhaften Wesen überwuchern sie die Äste, ohne sie zu ersticken. Einst als Schmarotzer bezeichnet, weiß man heute um den symbiotischen Zusammenhang zwischen Wirt und Nutznießer. Wie ein Schwamm kämmen die Flechten die Feuchtigkeit aus der Luft, die sie dann über den Boden an die Pinien abgeben. Eine leichte Böe genügt und schon täuschen die triefenden Flechten jedem, der sich gerade darunter befindet, einen Schauer vor. Auf dieser Weise entstand ein seltenes und fragiles Biotop, vielmehr das eigentlich dominante Vegetationskleid der Kanaren. Doch bereits im 16. Jahrhundert, unmittelbar nach Ankunft der Europäer, die die Bäume zum Schiffbau verwendeten, verschwand dieser Wald fast.
Fast enttäuscht quert der Zu-Fuß-Reisende den Rundstraße um den Gipfel. Doch ebenso wie der Campingplatz und das Forsthaus scheint sie verwaist. Dem einsamen Gipfelglück auf der dichtbevölkertsten Insel des Archipels steht auf dem Pico Tamataba (1.444 m) denn auch nichts im Weg.

Höhlenwohungen zum Abstieg

Auf einem sich hinab schlängelnden Schotterweg gelangt man zum weithin sichtbaren Stausee Emb. De Perez. Nach zwei weiteren Kilometern entlang einer Autostraße findet sich unmittelbar bei einer Kapelle (Ermita) das noch teilweise bewohnte Höhlendorf El Hornillo. Die Ureinwohner der Kanaren, die Guanchen fanden in den Vertiefungen des Berges einst Zuflucht vor den Angriffen von Mensch und Tier.

Exkurs Höhlenwohnungen, Tuffstein, Vorratssystem,Gräber...

Die Ureinwohner, die Guanchen, nach Meinung einiger Forscher Abkömmlinge des Berberstammes der Canarii, der gleichzeitig auch Namenspaten für die die Kanaren sind, nutzten einst als Schutz vor Feinden und Tieren die strategische Lage von Vertiefungen im Hang. (Andere Theorien leiten das Wort Kanaren vom Lateinischen canus (Hund) ab, was wiederum mit der hier typischen schwarzbraun gescheckten Hunderasse, den Bardinos, zusammenhängt. Andere meinen, dass bereits in der Antike damit auf den Verzehr von Hunden auf dem Archipel aufmerksam gemacht werden sollte.) Aus Angst vor Piraten taten es ihnen die Neusiedler aus Europa gleich. Heute stellen nur noch wenige der Klippenhäuser Tierställe und Wohnungen. Getüncht und von Mäuerchen abgesichert wirken sie wie überdimensionierte Vogelnester. Der verbleibende Fußweg von El Hornillo nach Los Berrazales erweist sich als ein gutes Beispiel für die subsistente Gartenwirtschaft mit Feigen, Guaven und Zitrusfrüchten im unzugänglichen Le Valle de Agaete.


INFORMATIONEN:
Nur alle zwei Stunden fährt ein Bus von Las Palmas via Agaete ins Tal von Agaete bis Los Berrazales. Nicht zuletzt deshalb ist die Mitfahrt per Autostopp im Gegensatz zu besser erschlossenen Gebieten hier gut möglich.

Robert Mohr

   
    © Robert Mohr   Seitenanfang